Prag, Anfang 20. Jahrhundert: Franz Kafka leidet unter seinem strengen Vater, dem Alltag als Versicherungsangestellter und der Sehnsucht nach künstlerischer Entfaltung. Agnieszka Hollands berückender und origineller Kafka-Film zeichnet das Porträt eines jungen Mannes, der Literaturgeschichte schreibt, sich verliebt und den Widersprüchen des Lebens begegnet.
Er war ein Versicherungsjurist, der das Schreiben und die Verantwortung als Sohn und zukünftiger Ehemann in einem konservativen Prager Elternhaus am Rande des Ersten Weltkriegs unter einen Hut bringen musste. Dabei besass er, wie keiner je zuvor, ein Talent für die Verschmelzung von Realismus und Fantasie samt brutal formulierter Verzerrungen von Bürokratien und Menschen, die in surrealen Situationen stecken oder tödliche Kämpfe ausfechten müssen – so wie er selbst gegen die Tuberkulose. Die Rede ist von Franz Kafka, dem wir anlässlich seines 100. Todestages im Juni 2024 eine Reihe gewidmet haben. Nun ist die polnische Meisterregisseurin Agnieszka Holland das Wagnis eingegangen, sich Kafka in einem essayistischen, nicht-linearen Biopic anzunähern. Mit dem 1997 geborenen, noch kaum bekannten deutschen Schauspieler Idan Weiss als Kafka pendelt der Film virtuos zwischen dem so reichen wie flüchtigen Leben des Jahrhundertliteraten und einer dokumentierten Gegenwart, in der mit seinem Namen alles Mögliche verkauft wird: von Hamburgern über Schlüsselanhänger bis zu Ostereiern – eine Wendung, die kafkaesker kaum sein könnte. Übertroffen wird diese von der Tatsache, dass das Verhältnis der von Kafka geschriebenen zu den über ihn geschriebenen Worten eins zu zehn Millionen beträgt – ein Hype, den der Film so geschickt wie elegant umschifft.
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