Die Chansonsängerin Cléo streift ziellos durch Paris, während sie auf den Befund einer Krebsuntersuchung wartet. Angesichts des möglichen Todes, gewinnt sie ein neues Verhältnis zu sich, zu ihren Mitmenschen und zum Leben. In ihrem schönsten Film, einem Meisterwerk der Nouvelle Vague, verdichtet Agnès Varda ein ganzes Frauenleben und zeichnet ein Bild von Paris zu Beginn der 1960er-Jahre.
Die bewunderte Sängerin Cléo wartet an einem Mittwochnachmittag zwischen 17.05 Uhr und 18.30 Uhr auf die Resultate einer Krebsuntersuchung. Um ihre Angst in Schach zu halten, streift sie ziellos durch Paris. Agnès Varda hat «Cléo de 5 à 7» 1961 mit minimalem Budget und einfachsten Mitteln an Originalschauplätzen gedreht. Der Film ist ein präzises Zeitbild der französischen Hauptstadt zu Beginn der 1960er-Jahre und verdichtet in Echtzeit ein ganzes Leben. Die flirrend leichte Art, wie aus kleinsten Alltagsbeobachtungen reine Poesie entsteht, macht «Cléo de 5 à 7» zu Vardas schönstem Werk. Als einzige Regisseurin in der von Männern dominierten Bewegung schuf sie nicht nur einen Klassiker der Nouvelle Vague, sondern auch des feministischen Kinos, das von der Kinok-Gruppe Frauen hinter der Kamera aufgearbeitet wurde. Hingerissen bestaunt man die Eleganz, mit der die ausgebildete Fotografin Varda neunzig Minuten aus dem Leben einer Frau existenziell auslotet: In einer Schlüsselszene reisst sich Cléo Perücke und Federkleid vom Leib, Symbole ihrer Weiblichkeit, und geht danach, ganz in Schwarz gekleidet, zum ersten Mal allein. «Sie hört auf, ein Objekt zu sein, das durch den Blick der Männer konstruiert wird, und übernimmt die Macht des Blicks», so die Filmwissenschaftlerin Sandy Flitterman-Lewis. Berührend und meisterhaft.
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