Yorgos Lanthimos – Meister der Seltsamkeiten: Dogtooth

Völlig abgeschottet von der Aussenwelt zieht ein Paar seine drei fast erwachsenen Kinder nach ganz eigenen, befremdlichen Methoden in einer entlegenen Villa auf. Das kann nicht lange gut gehen … Yorgos Lanthimos’ preisgekrönte, surreale Satire wirft einen verspielt-bösen Einblick in die bizarre Parallelwelt einer sonderbaren Familie.

Ein Ehepaar wohnt mit seinen bereits erwachsenen Kindern, zwei Töchtern und einem Sohn, in einem grossen Haus mit Garten und Pool. Die Kinder wurden von klein auf so erzogen, dass sie die vermeintlich gefährliche Welt ausserhalb des Grundstücks erst betreten dürfen, wenn sie einen Eckzahn («Dogtooth») verlieren. Völlig isoliert wachsen sie mit den Lügen ihrer Eltern auf und beschäftigen sich mit ihren eigenen ungewöhnlichen Spielen ­­­– bis eine Besucherin eine Tür zur Aussenwelt aufstösst. Oliver Baumgarten schreibt in Schnitt: «Es war einmal ein Ehepaar, das seine drei Kinder von Geburt an zu hundert Prozent von der Umwelt abschottet. Wie auf einem einsamen Planeten wachsen die Drei in einer Landvilla auf, umgeben von hohen, blickdichten Zäunen. Immer neue abstruse Geschichten erfinden die Eltern, um äussere Einflüsse in ihr Lügengerüst einzubauen und sie damit befriedigend zu erklären. Der aufgeschnappte Begriff ‹Zombie› etwa wird erklärt, er bezeichne eine Sorte gelber Blümchen, und eine Katze wird zum blutrünstigen Monster interpretiert, ob dessen es höchst gefährlich sei, das Grundstück zu verlassen. Zum Beleg dieser verdrehten Geschichten schmiert sich der Vater schon mal mit Blut ein, zerreisst Hemd und Hose und markiert einen brutalen Katzenüberfall. Mit einer sehr eigenen, extrem konsequenten und wunderbar klaren Bildsprache erzählt Lanthimos humorvoll zwar, doch mit vollem Ernst dieses wahnwitzige Vorhaben der völligen Isolation des Nachwuchses. Dank plötzlicher, äusserst herber Gewaltausbrüche, recht expliziter Sexdarstellungen sowie zahlloser filmischer und kultureller Anspielungen entwickelt sich ‹Dogtooth› zu einem eigenwilligen, mal surrealistisch, mal expressionistisch wirkenden, vielschichtigen und intelligenten, kleinen, bösen Meisterwerk.» Mit seiner eigenwilligen Familien-Groteske, die mit einer Oscarnominierung als bester nicht englischsprachiger Film und dem Prix Un Certrain Regard bei den Filmfestspielen in Cannes geadelt wurde, machte Yorgos Lanthimos erstmals international auf sich aufmerksam und avancierte zur Galionsfigur der «Greek Weird Wave», mit der sich in den Nullerjahren ein neues, junges, radikales und kompromissloses griechisches Kino Bahn brach.